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Eine alte Liebe neu erzählt


Was passiert, wenn man ein Thema weit über den Lehrplan hinausträgt? Deutschlehrer Ralf Trommler hat es mit dem Klassiker „Romeo und Julia“ versucht. Er zeigte seiner Klasse einen passenden DEFA-Klassiker und organisierte einen digitalen Workshop mit einer Filmpädagogin. Das Ergebnis: Ein offener Austausch mit Jugendlichen über sensible Themen, die Menschen heute wie zu Shakespeares Zeiten bewegen.

In einer Videokonferenz wird der Titel eines Films gezeigt.
Durch den digital durchgeführten Workshop zum DEFA-Film „Sieben Sommersprossen“ aus dem Jahr 1978 führte Medienpädagogin Hanna Weichert. Eingeladen hatte sie Deutschlehrer Ralf Trommler. Screenshot: Caroline Lindner/DPFA

Im Lehrplan ist der Stoff recht trocken vorgegeben: Ein Drama der deutschen Literatur oder Weltliteratur sollen die Schüler:innen der 9. Klasse kennenlernen. Eines, in dem es um familiäre Beziehungen sowie junge Menschen geht. Das bedeutet in der Praxis in der Regel: „Romeo und Julia“ von Shakespeare, erstveröffentlicht im Jahr 1597. Doch Unterricht nach Lehrplan war Deutschlehrer Ralf Trommler bei diesem spannenden Thema zu wenig. „Ich wollte vermitteln, dass der Shakespeare-Klassiker ‚Romeo und Julia‘ zeitlos aktuell ist“, so der Pädagoge. Er erinnerte sich an einen Film aus dem Jahr 1978, den er als junger Lehrer selbst im Chemnitzer Kino „Metropol“ in Anwesenheit des Regisseurs mit einer Klasse angesehen hatte: „Sieben Sommersprossen“ – eine der erfolgreichsten Produktionen der DEFA, die von mehr als 1,2 Millionen Besuchern gesehen wurde. Rekord für damalige Verhältnisse.

DDR-Jugendfilm greift Erzählung auf

In dem in den Hauptrollen mit Laiendarstellern besetzten Jugendfilm kommt die 14-jährige Caroline in einem Ferienlager ihrem Schwarm Bobby näher,­ während beide, Romeo und Julia‘ als Theaterstück einstudieren. Doch gegen die junge Liebe spricht vieles in Zeiten wie den damaligen. „Meiner Meinung nach gelingt dem Film der Spagat, eine modern erzählte Liebesgeschichte anhand von originalen Shakespeare-Zitaten so zu vermitteln, dass junge Menschen sich im Klassiker wiedererkennen. Ich glaube, das ist auch bei unseren Schülern so angekommen“, so Ralf Trommler.

In einer Videokonferenz wird eine Wortwolke angezeigt.
Medienpädagogin Hanna Weichert stellte zahlreiche Fragen an die Gymnasiasten. Diese konnten über ein Umfrage-Tool antworten. Die Antworten erschienen dann für alle sichtbar zum Beispiel als Wortwolke oder Diagramm. Screenshot: Caroline Lindner/DPFA

Also schaute er nach dem Lesen und Bearbeiten des Shakespeare-Klassikers gemeinsam mit der 9. Klasse des DPFA-Regenbogen-Gymnasiums den DEFA-Film – und organisierte anschließend ein professionelles Filmgespräch mit einer Studentin der Technischen Universität Chemnitz. Hanna Weichert studiert Medienkommunikation und arbeitet freiberuflich als Filmpädagogin für die Vision Kino GmbH. Vision Kino ist eine gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung der Film- und Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Hanna Weichert selbst bezeichnet sich auch als „Filmverführerin“. „Das Angebot, den Film ‚Sieben Sommersprossen‘ im Unterricht einzusetzen und Frau Weichert als Medienpädagogin zu gewinnen, inspirierte mich, eine besondere Form der Unterrichtsgestaltung zu versuchen“, resümiert Ralf Trommler.

Analyse der historischen Hintergründe

Zwei Stunden lang blickten die Gymnasiasten in ihrem digitalen Klassenzimmer, das sie während des Lockdowns auch für ihren regulären Unterricht nach Stundenplan nutzten, gemeinsam mit Filmpädagogin Hanna Weichert und Lehrer Ralf Trommler auf den Film zurück. Sie analysierten die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse und historischen Hintergründe sowie die Hindernisse, die der Beziehung der Hauptprotagonisten im Weg standen. Sie sprachen über Themen wie Liebe und Sexualität sowie die aktuelle Relevanz des Films.

Digitaler Workshop zum Film

Hanna Weichert stellte darüber hinaus auch ganz persönliche Fragen an die Klasse: Wie nehmt ihr Kontakt zu einer Person auf, die euch auf romantische Art gefällt? Welche Herausforderungen können heute in einer romantischen Beziehung auftreten? Wie beurteilt ihr dabei den Einfluss digitaler sozialer Medien? Die Antworten konnten die 15- und 16-Jährigen anonym über ein Umfrage-Tool abgeben, das Hanna Weichert jeweils als Link zur Verfügung stellte. So erreichte sie trotz des sensiblen Themas eine hohe Resonanz der Gruppe und konnte ein Stimmungsbild der Klasse zum Thema erzeugen, ohne dass sich die Jugendlichen hätten persönlich dazu äußern müssen.

In einer Videokonferenz werden anonymisierte Antworten von Teilnehmern angezeigt.
Trotz des sensiblen Themas Liebe gelang der Klasse ein offener Austausch in ihrem digitalen Klassenzimmer, da die Antworten der Schüler:innen anonymisiert für alle sichtbar gemacht wurden. Screenshot: Caroline Lindner/DPFA

„Frau Weichert gelang es, durch den Einsatz verschiedener Interaktionen die Klasse zu erreichen. Es gab keine peinlichen Gesprächspausen. Eine Vielzahl der Schüler beteiligte sich mit durchdachten Fragen und guten Darlegungen am Geschehen“, zeigte sich Ralf Trommler anschließend zufrieden. Auch Filmpädagogin Hanna Weichert bedankte sich bei den Schülern für das aktive Interesse. Das Format machte darüber hinaus deutlich, wie intensiv ein Austausch auch digital möglich ist.  

Theaterstück geplant

Die Option, zu „Romeo und Julia“ zusätzlich noch eine entsprechende Theateraufführung zu besuchen, war wegen der Corona-Pandemie innerhalb der Spielzeit nicht möglich. Doch auch dafür gibt es einen Plan B: Die Klasse hat sich vorgenommen, den Shakespeare-Klassiker selbst aufzuführen. „Diesen Wunsch unterstütze ich gern“, so Ralf Trommler.

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